Samstag, 16. Januar 2010

Eichkamperin for Präsident!

Ich weiß nicht, wie gut meine Chancen stehen, aber probieren kann ich es erst einmal. In Folge meiner akuten Geldnot bin ich permanent auf Jobsuche und das Amt des Präsidenten an der Freien Uni in Berlin wird demnächst frei. Herr Lenzen packt seine Sachen - ganz freiwillig, wer hätte das gedacht. Künftig trinkt er nun Astra in der Hans-Albers-Klause im schönen Hamburg. Aber: Sein Stuhl muss besetzt werden. Und die FU ist schon fleißig dabei, seinen Posten neu zu vergeben. Vor Kurzem wurde mir dafür sogar extra ein Bewerbungsformular zugeschickt.

Seine akademische Verbissenheit solle man der FU allerdings nicht so sehr nach außen tragen. Vielmehr komme es darauf an „die Dünkel des Theoretikers (...) zu überwinden und sich den „den Gesetzten der Wirtschaft zu unterwerfen“ - so steht es im Anschreiben. Das stellt zunächst mal kein Problem für mich da: Sind wir nicht alle Spielbälle der freien Wirtschaft und basteln heimlich an unserer Karriere in derselben?

Unsicher bin ich mir allerdings noch darüber, welche der angegebenen Schlüsselqualifikationen ich ankreuzen soll. „Erfahrung mit Bachelorstudium“ kriegt schonmal ein fettes Kreuz, „eigener Fanclub“ auch. Zwei Freundinnen wollen das schriftlich bestätigen. Bei „Exzellenz“ bin ich mir mit meiner letzten 3,0 Hausarbeit nicht so sicher, aber „fleißiger Bücherschreiber“ und „Freund der deutschen Wirtschaft“ gebe ich erstmal selbstbewusst mit an. Wer kann so was schon nachprüfen? Herr Lenzen bestimmt nicht. Wenn der das überhaupt noch mitbestimmt. Wenn ich frech bin, kreuze ich auch einfach noch „weißer Mann“ an – dann werde ich auf jeden Fall zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Bleibt noch die Motivation! Warum genau will ich Präsidentin der FU werden? Punkt eins „Ich habe gerade nichts besseres zu tun“ ist schonmal zutreffend, wird aber von den anderen Bewerbern sicher auch oft angegeben. Dann doch lieber: „Meine Bewerbung um die Professur im Bereich Politische Ideengeschichte wurde abgelehnt. Das klingt doch nach etwas! Und wenn diese Begründung auch nicht zieht, sage ich, dass ich die erste weibliche Präsidentin an der FU werden will und dass ein bisschen Frauenpower der Sippe da unten in Dahlem mal gut tun würde. Immerhin würde ich als neue Prsäidentin einiges auf mich nehmen – zum Beispiel den weiten Anfahrtsweg nach Steglitz.
Das Bewerbungsformular gibt’s unter: www.bildungsstreik-berlin.de/wiki/images/c/c8/Lenzen-Bewerbung.pdf

Mittwoch, 6. Januar 2010

Leben zwischen Eicheln und Einsamkeit - das Studentenwohnheim Eichkamp

Den Ort, an dem ich wohne, kennen die meisten Mitte-Berliner gar nicht. Jenseits vom Westkreuz höre die Welt oder zumindest Berlin auf - das denken viele. Aber : Das stimmt nicht. Versteckt zwischen der Avus, dem Grunewald und dem Messegelände befindet sich die kleine Eichkamp-Welt. Ein Mikrokosmos voller Studenten. Etwa 400 sollen in meinem internationalen Wohnheim leben. In Sieben und Zehner-Wohngemeinschaften hausen wir zusammen in zwölf roten und grünen vierstöckigen Häusern. Dadurch, dass die meisten Zimmer nur 10 Quadratmeter groß sind, passen viele Studenten in ein Haus. Nun könnte man denken, dass bei uns stets reger Trubel herrscht - bei so viel geballter studentischer Lebensfreude. Das ist weit gefehlt. Ihre gute Laune und ihren Sinn für Kontakte scheinen fast alle Bewohner am Eingangstor abgegeben zu haben. Auf vielen Etagen wird kaum miteinander gesprochen. Das Schweigegelübde ist oberstes Gebot im Eichkamp. Manche Bewohner verkriechen sich tagelang in ihren Zimmern, huschen in einem unbemerkten Augenblick in die Gemeinschaftsküche - Kontaktaufnahme zwecklos. Dass im Eichkamp möglichst nicht gesprochen wird, lernen auch die Neuzugänge. Jene unbedarften Erstsemester, die noch fröhlich und gesprächig das kleine Studentendorf betreten. Doch nach ein paar Tagen werden auch sie ruhiger und verstummen schließlich ganz.

Wer Kontakt sucht, kann sein Wort an die Eichen richten. Die gibt es zahlreich im Eichkamp, genauso wie ihre Früchte, die Eicheln. Die alten Bäume wachsen unverschämterweise direkt neben den Häusern und nehmen mit ihrem ausladenden Geäst jede Chance auf einen Lichtstrahl im Zimmer. Zumindest in den untereren Etagen herrscht sommers wie winters eine gleichbleibende Dunkelheit. Doch die düstere Umgebung passt eigentlich wunderbar - zur depressiven Grundstimmung der Eichkamper. Zugegeben, sooo schlimm ist es bei uns auch nicht. Zwischen den vielen Stimmlosen wohnen auch ein paar gesprächigere Eichkamper. Sie sind rar und schwer zu finden, aber es ist nicht unmöglich, sie anzutreffen. Es ist diese Studenten-Spezies, die ab und zu auch Geburtstage feiern, die drei Hähnchen auf einmal kochen, die zusammen Glühwein trinken und Filme gucken. Ein wenig soziale Interaktion gibt es im Eichkamp. Und dennoch: Die Mönche sind unter uns.